• Wir beschäftigen uns mit Landschaft. Vor allem aber mit den Tieren darin als Teil der biologischen Vielfalt.

Umweltpolitik und Medien auf dem Holzweg

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Umweltpolitik und Medien auf dem Holzweg

Seitens der Umweltpolitik und der Berichterstattung in den Medien wird leider noch immer nicht begriffen, dass die – bisherige und weitere – Zunahme von Bäumen und Gebüschen in Deutschland kein Ziel des Naturschutzes sein kann, sondern selbst Teil der Biodiversitätskrise ist.

Ein typisches Beispiel findet sich in der aktuellen Berichterstattung der tagesschau *) vor der Weltnaturkonferenz in Montreal bezogen auf den Entwurf zum “Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz” der Bundesregierung. Zitat: „Ein Schritt in die richtige Richtung, findet die Wissenschaftlerin Böhning-Gaese und mahnt zugleich ein Umsteuern in der Landwirtschaft an: Weniger Düngemittel und Pestizide auf den Äckern, mehr Ökolandbau, mehr Büsche und Bäume. Dort, wo das praktiziert wird, sieht sie Erfolge. Es habe sich gezeigt, dass typische Vögel, wie zum Beispiel die Feldlerche, wieder vermehrt vorkommen.“
Nun wissen wir nicht, was Frau Böhning-Gaese wirklich gesagt hat. Das was in der Online-Ausgabe der tagesschau mit dieser Passage vermittelt wird, ist aber leider unzutreffend und irreführend.

Es ist seit Jahrzehnten bekannt und wissenschaftlich publiziert, dass die Feldlerche Kulissen wie Bäume und Gebüsche in der Landschaft meidet, und zu diesen große Abstände einhält **), schon um die Gefahr durch Fressfeinde einzuschränken. Und damit ist sie nicht die einzige der gefährdeten Vogelarten. Neupflanzungen an Gehölzen tragen im Übrigen zusammen mit dem Überwachsen bisher offener Landschaftsteile infolge fehlender Finanzmittel und Kapazitäten für erforderliche Pflege (oder aufgrund falsch priorisierter Wildnisgedanken), in ganz erheblichem Umfang zu Artenverlust und Artenverarmung in Deutschland bei. Artenreiche und hochgradig gefährdete Lebensräume des Offenlandes haben das Nachsehen, gehölzfreie Strukturelemente zur Aufwertung der Feldflur werden vielfach nicht ausreichend gefördert.

Hier ist dringend ein Umdenken gefordert. Es ist keine Frage, dass wir zu weniger Düngemitteln und zu geringerem Pestizideinsatz auf den Äckern kommen müssen. Auch haben bestimmte, effiziente Maßnahmen des Klimaschutzes hohe (positive) Synergieeffekte mit ebenso dringenden Aufgaben des Biodiversitätsschutzes. Ein „Mehr“ und „Meer“ an Bäumen und Gebüschen gehört aber nicht dazu.

Ergänzender Hinweis: Auch auf europäischer Ebene haben wir seit Jahrzehnten einen deutlichen Waldzuwachs: 19,3 Millionen Hektar im Verlauf der letzten 30 Jahre, durchschnittlich 643.000 Hektar pro Jahr (0.3 %) zwischen 1990 und 2020. ***)

*) Artensterben betrifft auch Deutschland, Stand: 07.12.2022 15:57 Uhr, https://www.tagesschau.de/wissen/klima/weltnaturkonferenz-deutschland-101.html
**) Oelke H (1968): Wo beginnt bzw. wo endet der Biotop der Feldlerche? J Ornithol 109:25–29 doi:10.1007/BF01678101.
***) Ministerial Conference on the Protection of Forests in Europe (2020) State of Europe’s Forests 2020, https://foresteurope.org/wp-content/uploads/2016/08/SoEF_2020.pdf